"Islamische Föderation gegen Yildirim" steht auf
der Ankündigung des Landgerichts Berlin. Das klingt fast
klassisch nach David gegen Goliath, und tatsächlich ist Ali
Yildirims schwache Position von der zuständigen Instanz
bestätigt worden: Im Guiness-Buch der Rekorde ist sein Sender
AYPA-TV als kleinste Fernsehanstalt der Welt verzeichnet.
Dass sich die mächtige Islamische Föderation, die vor
Gericht von ihrem Justiziar Abdurrahim Vural vertreten wird,
überhaupt mit Yildirim beschäftigt, zeigt, dass sie seinen
Sender trotz der Winzigkeit ernst nehmen. Dass es sie stört,
was Yildirim von einem Wohnzimmer in Mitte aus sendet. Mit
einem kleinen Mischpult und einer kleinen Videokamera. Und das
macht Yildirim stolz.
Ärger von Anfang an
Yildirim ist so eine Art Klaus Bednarz für die türkische
Gemeinde der Hauptstadt, die außerhalb der Türkei die
weltweit größte ist. Und mit dem Ex-„Monitor“-Mann aus
der ARD verbindet ihn nicht nur die Vorliebe für grob
gestrickte Pullover, sondern auch das Bedürfnis, politische
Missstände anzuprangern. „Berlin-Spiegel für alle, die
toleranter sein wollen“, heißt die einzige Sendung, die er
im Programm hat, und in der er schon mal berichtet, dass die
Islamische Föderation in Verbindung zur Organisation Milli
Görüs steht, die vom Verfassungsschutz wegen des Verdachts
radikaler Umtriebe beobachtet wird.
1970 kam der gebürtige Istanbuler nach Berlin, studierte
an der Technischen Universität, arbeitete als Korrespondent
für türkische Zeitungen und ließ sich als Dolmetscher
vereidigen. „Mir ist immer schon aufgefallen, dass im
türkischen Berlin der investigative Journalismus fehlt“,
sagt der 51- Jährige. Tatsächlich sind die türkischen
Medien für ihren Verlautbarungsjournalismus bekannt.
Deshalb fing er 1993 an, täglich eine Stunde AYPA-TV auf
dem lokalen Spreekanal zu senden. Hilfe bekam er von Claudia
Dantschke, einer studierten Arabistin, die vor der Wende für
die DDR- Nachrichtenagentur ADN gearbeitet hatte – bis heute
ist sie seine einzige Mitarbeiterin.
Mit dem Sendestart fängt auch der Ärger an. Weil sich
Yildirim von Anfang an als Gegenstimme zur offiziellen Politik
der Türkei und zu den radikalen Islamisten begreift, wird
sein damaliger Werbeleiter angegriffen – von einem
„radikalen Islamisten“ wie Yildirim sagt. Schmähbriefe
und Drohanrufe folgen. Richtig sauer werden seine Landsleute,
als Yildirim im Sommer 1995 dafür sorgt, dass das
Champions-League-Spiel von Fenerbace Istanbul nicht im
„Türkisch Deutschen Kabelfernsehen“ (TD 1) läuft. TD1
hatte das Spiel rechtswidrig vom Satelliten abgezapft und
zeitgleich mit AYPA TV übertragen. „Wir haben mehrere
Stunden an unserer Sendung gearbeitet und dann sehen sich
potenzielle Zuschauer von uns ein Spiel an, das da gar nicht
laufen durfte“, sagt Yildirim.
TD 1 blendete damals als Beschwerde-Hotline für
aufgebrachte Zuschauer die Telefonnummer von AYPA ein. „Die
Leute, die angerufen haben, waren schon sauer, haben dann aber
unser Vorgehen eingesehen, als wir ihnen die Situation
erklärt haben“, sagt Claudia Dantschke.
Seit Jahren thematisiert AYPA auch das Wirken radikaler
Islamisten in Deutschland. Ein Dauerbrenner ist dabei die
Islamistische Gemeinschaft Milli Görüs Berlin (IGMG) und
deren Verbindung zur Islamischen Föderation Berlin, die nach
einem jahrelangen Rechtsstreit mit der Schulverwaltung seit
Oktober letzten Jahres als anerkannte Religionsgemeinschaft
den Islamunterricht an Berliner Schulen erteilen darf. „Die
Verbindung ist so offensichtlich, dass man dumm sein muss, um
sie nicht zu sehen“, sagt Yildirim.
So macht man sich natürlich Feinde: Ausgerechnet der
türkischsprachige Berliner Sender TFD, dessen Mitbesitzer
Hasan Akyol Pressesprecher des Berliner Landesverbandes von
Milli Görüs ist, strahlte am 14. Oktober 1996 eine Sendung
über Yildirim aus, in der dieser sich verleumdet sieht.
„Wir werden solche Angriffe nicht tatenlos hinnehmen. Wir
wissen, wie wir auf solche Angreifer reagieren sollten. Ich
rate dem Gegner, in dieser Hinsicht vorsichtiger zu sein“,
hieß es in dem Bericht, was Yildirim als Aufruf zur Gewalt
gegen ihn wertete. TFD-Mann Akyol weist die Vorwürfe indes
zurück: „Es ist ein Blödsinn, was die da von sich geben.
Dass die diese Sendung so übersetzen, finde ich
unverschämt.“ Mit einem Gewaltaufruf habe das absolut
nichts zu tun gehabt. Stattdessen glaubt Aykol, dass sein
Gegenspieler Yildirim im staatlichen Auftrag handelt. „Ich
frage mich, warum Herr Yildirim noch sendet, obwohl er so viel
Schulden hat. Ich weiß, wo das herkommt. Ich denke, die
arbeiten für den Verfassungsschutz.“
Der Beschuldigte lacht, als er das hört.
„Selbstverständlich arbeite ich nicht für den
Verfassungsschutz. Obwohl ich das eher merkwürdig finde, dass
die sich noch nie bei uns gemeldet haben, bei den vielen
Beweisen, die wir liefern können.“ Die Informationen, die
für Wirbel sorgten, aber kämen von einem ehemaligen
Mitglied, das ihm die Original-Milli-Görüs-Mitglieder- und
Organisationslisten zugespielt habe, die eine enge
Verflechtung beweisen.
Vor Gericht erfolgreich
Mit diesen Erkenntnissen versorgte Yildirim bereits
Zeitungen und Fernsehsendungen, bevor er im September 2000
zusammen mit dem taz -Journalisten Eberhard Seidel und Claudia
Dantschke die gesammelte Recherche in der Broschüre
„Politik im Namen Allahs“ veröffentlichte. Darin heißt
es wörtlich: „Die Islamische Föderation und Milli Görüs
sind voneinander unabhängige Organisationen, behaupten die
Funktionäre seit mehr als zehn Jahren – und sie lügen.
Erfolgreich... Hätten den Richtern des
Oberverwaltungs-gerichtes Berlin Erkenntnisse vorgelegen, dass
die Islamische Föderation Milli Görüs angehört, hätten
sie die Föderation kaum als Religionsgemeinschaft
anerkannt.“
Gegen diese Behauptung geht die Islamische Föderation
Berlin massiv vor. Aufforderungen zu
Unterlassungs-erklärungen, Gegendarstellungen, Einstweilige
Verfügungen – neben AYPA müssen sich unter anderem auch
taz, Tagesspiegel, Berliner Morgenpost und Spiegel-TV damit
auseinander setzen. Allein den kleinsten Fernsehsender der
Welt trifft es in elf Fällen. Eine Wende sieht Yildirim in
einem kürzlich gefällten Urteil des Berliner Landgerichts,
in dem eine Einstweilige Verfügung gegen die taz aufgehoben
wurde. Die Zeitung hatte auf ihrer Internetseite einen Link zu
der Broschüre angeboten.
Auch in der Verhandlungssache „Islamische Föderation
gegen Ali Yildirim“ bekamen die Wohnzimmer-Journalisten
Recht. Yildirim darf weiter seine Behauptungen unter die Leute
bringen. Der kleinste Sender der Welt war also wieder ganz
groß.